"Unser Job ist es, die Russen einzuholen.
Aber gnade uns Gott, wenn es uns jemals gelingt!"

Ein hoher NASA-Angestellter

Der erfolgreiche Flug der Mondsonde LUNA 1 hat das amerikanische Raumfahrtprogramm so richtig auf Touren gebracht. Die Wissenschaftler kommen aus dem Staunen über die sowjetische Leistung kaum heraus.
Über 400 Kilogramm an Instrumenten befinden sich in der kugelförmigen Sonde, die letzte Antriebsstufe der R7-Trägerrakete muss über 1,6 Tonnen gewogen haben!
Die PIONEER-4-Sonde ist dagegen so klein, dass man sie in einem Koffer unterbringen kann. Über welche Schubkräfte müssen die sowjetischen Trägerraketen verfügen! Damit können sich die derzeitigen amerikanischen Raketen nicht messen.

Gleich mehrere Raumfahrtprogramme erhalten nun die höchste Dringlichkeitsstufe. Die Sowjets müssen geschlagen werden, koste es, was es wolle; der Stolz der gesamten Nation ist verletzt worden.
Langfristig wollen die Amerikaner zum Mond, Wernher von Braun sogar zum Mars, doch der Weg dorthin ist 180.000 Kilometer weit und sehr steinig.
Am Anfang steht eine ausführliche Erkundung der Mondoberfläche. Diese soll in drei sich zum Teil überlappenden Etappen mit drei Sonden/Satelliten-Programmen geschehen: RANGER, SURVEYOR und LUNAR ORBITER.

Parallel dazu wird eine Schiene bemannter Raumfahrtprogramme gefahren:
Mit dem schon längere Zeit verfolgten MERCURY-"Man-in-Space"- Konzept sollen die ersten Amerikaner ins All gebracht werden.
Daran wird sich, Erfolg vorausgesetzt, GEMINI anschließen:
Raumschiffe werden Annäherungs- und Kopplungsmanöver durchführen, Astronauten werden ins All aussteigen.
Am Ende steht dann das eigentliche Mondlandeprogramm APOLLO; Astronauten werden den Mond umrunden, bei späteren Flügen will man sogar auf dem Mond landen.

Ein finanziell wie technisch gigantisches Projekt, das da ins Rollen gekommen ist!


Abb. 4-1  Keith Glennan (erster Direktor der NASA) Abb. 4-1

Keith Glennan,

erster Direktor
der NASA

Trotz starker Widerstände in allen militärischen Bereichen hat sich die NASA mit Keith Glennan an der Spitze durchsetzen können. Er will v. Braun und dessen inzwischen 4000 Mensch starkes Team in die NASA eingliedern, doch die Armee sträubt sich zunächst mit Händen und Füßen.
1959 muss sie endlich nachgeben; die NASA übernimmt das vollständige Entwicklungsteam für Raumraketen in Huntsville.
Chef des Trägerraketenprogramms wird der ehemalige Luftwaffen-Generalmajor Don Ostrander. Ostrander überträgt seiner neuen Huntsviller Anlage, die am 15. März 1960 in George C. Marshall-Raumfahrtzentrum umbenannt wird, die volle Verantwortung für die NASA-Trägerraketensysteme ATLAS-AGENA, THOR-AGENA und ATLAS-CENTAUR ..., wobei Huntsville natürlich weiterhin auch zuständig für ihren eigenen neuen Giganten, die SATURN-Rakete bleibt.
Auch die finanziellen Mittel fließen nun, einen Teil dazu trägt sicher die Tatsache bei, dass im nächsten Jahr eine neue US-Präsidentschaftswahl bevorsteht:
Richard Nixon wird für die Republikaner gegen den jungen aufstrebenden Kandidaten der Demokraten, John F. Kennedy, antreten.
Doch beginnen wir bei

 

MERCURY,
dem ersten bemannten
Raumfahrtprogramm der USA
Abb. 4-2  Maxime Faget, Konstrukteur der MERCURY- und GEMINI-Raumschiffe Abb.4-2

Maxime Faget
Konstrukteur der MERCURY- und GEMINI-Raumschiffe

Das bereits 1957 vorgelegte Konzept der mit einem Astronauten bemannten Raumschiffskapsel stammt von Maxime Faget, einem Ingenieur der NACA, der Vorgängerorganisation der NASA. Mit MERCURY will man die Leistungsfähigkeit der Astronauten unter Schwerelosigkeit und die Rückkehr und Bergung der Raumschiffskapseln erproben.

Man kann sich bei der NASA im nächsten Jahr darauf einigen, für die unbemannten Vorversuche und bemannte Probeflüge v. Brauns REDSTONE als Trägerrakete zu benutzen. Für die eigentlichen Flüge in die Erdumlaufbahn will man aber die schubstärkere ATLAS-Rakete der Luftwaffe benutzen.
Beide Trägerraketen erfahren dafür eine gründliche Überarbeitung.
Keith Glennan stellt ein neues Team für MERCURY unter Leitung von Robert Gilruth zusammen, der später Chef des bemannten Raumfahrtzentrums in Houston/Texas werden soll.
Ein Jahr später, im November 1958, erhält das Programm den offiziellen Namen MERCURY und ein weiteres Jahr später, eine Woche nach dem Start von LUNA 2, kann die erste unbemannte Testkapsel von Cape Caneveral gestartet werden.

Abb. 4-3

MERCURY -Raumschiff

Abb. 4-3 MERCURY-Raumschiff
Technische Daten:

 

Gewicht: 1,36t
davon Treibstoff: 219kg
Länge: 4m
Maximaler Durchmesser: 1,90m Schub: 0,72kN
Bewohnbares Volumen: 1,7m³ Delta-Geschw.:
1160km/h
El. Energievorrat: 151kWh Besatzung:
1 Astronaut

Wie in der Abbildung zu sehen ist, hat der Pilot kaum Bewegungsfreiheit gehabt. Er ist von Bordinstrumenten umringt.
Die glockenförmige Raumkapsel ist nur für eine Landung auf dem Wasser ausgelegt; ein Ausstieg des Astronauten wie bei dem sowjetischen Gegenstück WOSTOK ist nicht möglich.
Da MERCURY wesentlich leichter als WOSTOK ist, steht die Kabine nur unter etwa 1/3 des normalen Luftdrucks in Meereshöhe.
Die Atmosphäre in der Kapsel besteht aus reinem Sauerstoff, für 28 Stunden bemessen.
Um im Falle des Versagens der Trägerrakete die Kapsel zu retten, ist über ihr ein sog. "Fluchtturm" befestigt, eine kleine Feststoffrakete, die im Notfall das Raumschiff von der Trägerrakete abtrennt und in Sicherheit bringt.

Abb. 4-4

Eine REDSTONE
wird mit einer
MERCURY-Kapsel,
noch ohne Fluchtturm, beladen.

Abb. 4.4  Eine REDSTONE wird mit einer MERCURY-Kapsel beladen, noch ohne Fluchtturm
Abb. 4-5

MERCURY/REDSTONE
mit Fluchtturm

Abb. 4-5 MERCURY/REDSTONE mit Fluchtturm

Das MERCURY-Programm hat einen schlechten Start und verzögert sich durch eine Reihe von Fehlschlägen bei den Tests.
Auch die REDSTONE-Rakete hat ihren Anteil daran, was die Routiners v. Braun und den neuen NASA-Direktor James Webb nicht verzweifeln lassen. Letzterer ist wild entschlossen, das MERCURY-Projekt erfolgreich abzuschließen.
Zum Ende der unbemannten Testphase hat im Januar 1961 die MERCURY-Kapsel zum ersten Mal ein Lebewesen an Bord: das Schimpansenäffchen Ham.
Ham landet wieder heil auf der Erde; er ist jedoch an weiterer Mitarbeit bei Raumfahrtprogrammen nicht zu bewegen, wie Beobachter zu erzählen wissen. Ham soll ein ausgefülltes Leben in einem Ehrenkäfig des Washingtoner Zoos gehabt haben.
Abb.4-6

JamesWebb,

Zweiter Direktor
der NASA

Abb. 4-6  James Fletcher (Zweiter Direktor der NASA)

Die drei ersten Astronauten John Glenn, Virgil Grissom und Alan Shepard haben währenddessen jahrelang für den ersten Flug in den Weltraum trainiert. Sie sind im Frühjahr 1961 bereit, auch Kap Canaveral ist bereit, denn die Raumkapseln und ihre Trägerraketen sind eingetroffen und prinzipiell einsatzbereit.
Doch mitten in ihre Vorbereitungen hinein hat am 12. April ein Russe namens Juri Gagarin die Frechheit den amerikanischen Bemühungen zuvorzukommen!
Erst 4 Wochen später kann die NASA den ersten bemannten Flug vorweisen: Fregattenkapitän Alan Shepard fliegt für eine Viertelstunde in der (REDSTONE)- MERCURY-Kapsel "FREEDOM 7" zwar 187 Kilometer hoch ... doch was ist das gegen die Leistung der Sowjets!
Für den geplanten dreimaligen Erdumflug, mit dem man Gagarins Leistung übertreffen könnte, ist man noch nicht bereit.
Virgil Grissom muss beim zweiten Flug um sein Leben bangen, als nach der Wasserung die Luke der Kapsel durch einen unglücklichen Zufall abgesprengt wird, sich diese mit Wasser füllt und zu sinken beginnt. Grissom steigt aus der Kapsel und muss beim Schwimmen entsetzt feststellen, dass sein Raumanzug Wasser einlässt. Eine Hubschraubermannschaft kann ihn glücklicherweise noch rechtzeitig retten.
Der im November 1960 neu gewählte US-Präsident John F. Kennedy will dem amerikanischen Volk ein Zeichen geben. Nicht zuletzt auch, weil er wegen der wenige Tage nach dem Flug von WOSTOK 1 erfolgten Kubakrise mit der Aktion in der Schweinebucht unter Druck geraten ist.
Am 25. Mai 1961 sendet er eine Botschaft an den Kongreß, in dem es u.a. heißt:
Abb. 4-7

John F. Kennedy,

Präsident der USA

Abb. 4-7b John F. Kennedy, Präsident der USA

"...sich die Nation selbst verpflichten sollte,
bis zum Ende des Jahrzehnts ein Ziel zu erreichen, das da lautet:

Einen Menschen auf dem Mond zu landen
und ihn heil wieder zurück zur Erde zu bringen."


In der Geschichtsschreibung wird sich dieses Datum als der eigentliche Beginn des Wettrennens der Supermächte USA und UdSSR zum Mond manifestieren.


Kehren wir nun zurück zu MERCURY:
Die eigenen Starts verzögern sich, während Kosmonaut German Titow mit WOSTOK2 die Erde siebzehnmal umrundet.
Eine weitere bittere Pille, die die NASA schlucken muss. Erst ein halbes Jahr danach fliegt mit John Glenn, ja, demselben John Glenn, der als siebzigjähriger rüstiger Astronaut noch mit einem SPACE SHUTTLE geflogen ist, der erste Amerikaner in einem MERCURY-Raumschiff ("FRIENDSHIP 7") um die Erde.
Abb. 4-8  Start von John Glenn mit  ATLAS/MERCURY am 20.2.62 Abb. 4-8

Start von John Glenn
mit ATLAS/ MERCURY

am 20. Feb. 1962


Mit kleineren Störungen und Schwierigkeiten hat das MERCURY-Programm auch weiterhin zu kämpfen, doch schafft man es, alle vorgesehenen bemannten Flüge mit Erfolg durchzuführen (den letzten im Mai 1963). Für die USA ist das ein Erfolg, beweist es doch, dass man auf dem richtigen Weg ist.
Nun will die NASA ein neues intensives bemanntes Raumfahrtkonzept vorlegen: das Nachfolgeprogramm GEMINI: In einem vergrößerten Raumschiff sollen zwei Astronauten bis zu zwei Wochen in eine Erdumlaufbahn geschickt werden. Mit zwei gleichzeitig gestarteten Raumschiffen sollen Annäherung (Der Fachbegriff dafür ist "Rendezvous") und Kopplung erprobt werden.

Unterdessen macht v. Brauns Team in Huntsville praktisch hinter den Kulissen, denn die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nehmen MERCURY und GEMINI in Anspruch, bei der Entwicklung der neuen riesigen SATURN-Trägerrakete erste Fortschritte.

Doch wenden wir uns jetzt wieder der sowjetischen Seite zu und stellen den Mann vor, der der große Gegenspieler von Wernher von Braun hinter dem Eisernen Vorhang ist ...


Inhalt

Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004

Kapitel 4

Der Wettlauf beginnt: Die Amerikaner wollen zum Mond