"Ich habe beobachtet,
dass der Mond seinen Anblick verändert...
wie jemand, der zuerst sein volles Gesicht uns zukehrt,
es nachher seitwärts wendet, erst rechts, dann links,
ferner es ein wenig aufrichtet, und dann senkt.
Schließlich neigt sich das Gesicht erst zur rechten, dann
zur linken Schulter.
Alle diese Veränderungen habe ich am Mond gesehen."
Galileo Galilei, 1637 |
Wir haben schon davon berichtet, dass PIONEER,
das erste Mondprogramm der USA, ein recht erfolgloses gewesen
ist. Bei dem nächsten lunaren Sondenprojekt RANGER
(engl. "Wanderer" im Sinne eines Pfadfinders) sieht es anfänglich
nicht besser aus.
Für die Entwicklung seit 1958 zeichnet dasJPL-Institut
in Pasadena ("Jet Propulsion Laboratory"), das Laboratorium für
Strahlantrieb, unter Leitung von William Pickering verantwortlich.
Die Mondsonden vom Typ RANGER sollen
für eine harte gebremste Mond"landung" konstruiert werden,
d.h. die Sonde wird kurz vor dem Aufschlag, der zu ihrer Zerstörung
führen wird, abgebremst, um das "Lande"gebiet noch fotografieren
zu können. |
Abb. 11-1
ATLAS (SLV-3A)
mit AGENA-Oberstufe |
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Abb. 11-2
AGENA-Oberstufe |
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Technische
Daten: |
Technische
Daten:
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Gew: 146 t |
L: 20,70m |
Gew: 6,8 t |
L: 7,10 m |
Max. Durchm.: 3,05
m |
Stufen: 2 |
Max. Durchm.: 1,50 m |
Vakuumschub:
72 kN |
Startschub: 2230 kN |
Nutzlast: 454t |
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Nutzlast:
700 kg |
Abb. 11-3
GEMINI-Kapsel
an AGENA-Oberstufe angekoppelt
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Im Hinterkopf der Planer steckt neben der Erforschung
des Mondes das Ziel, geeignete Landegebiete für spätere
bemannte Missionen zu finden.
Als Trägerrakete soll eine zivile Version der von der Luftwaffe
neu entwickelten zweistufigen ATLAS
mit einer dritten Vielzweckoberstufe AGENA
dienen.
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Letztendlich entstehen verschiedene
RANGER-Versionen.
Die ersten fünf Flüge verfehlen sämtlich die vorgesehenen
Ziele, teils ist die Trägerrakete dafür verantwortlich,
teils die Sondentechnik selbst. Das fängt schon bei den für
Erdumlaufbahnen vorgesehenen Testversionen RANGER 1 & 2 an.
RANGER 3 verfehlt den Mond im Januar 1962... |
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... also nach Kennedys berühmter
Rede ... |
... um 37.000 km und wird zum
Sonnensatelliten. RANGER 4 schlägt
zwar im April auf dem Mond auf, schickt jedoch keinerlei Informationen
zurück zur Erde. Auch RANGER 5 fliegt
im Oktober am Mond vorbei.
5 Flüge, 5 Misserfolge!
Zu diesem Zeitpunkt kann die Sowjetunion bereits über vier
bemannte WOSTOK-Weltraummissionen
jubeln ...
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Wir durchbrechen nun das Prinzip
des historischen Ablaufs dieser Dokumentation
und besprechen das RANGER-Paket als Ganzes... |
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Projekt RANGER
steht kurz vor dem Abbruch.
Die Sondenserie erfährt eine gründliche Überarbeitung,
die Sonde erhält eine neue Form (s. Abb.)
Auch das scheint nicht zu helfen.
Die sechste RANGER-Sonde schlägt
zwar im geplanten Zielgebiet, dem Mare Tranquilitatis ... |
Abb. 11-4
RANGER-Sonde
in der geänderten Version
Die Holzkugel an der Spitze
wird später weggelassen. |
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... dort, wo die ersten Astronauten
1969 landen werden ... |
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... am 30. Januar 1964 auf; auf die sehnlichst
erhofften Fernsehbilder wartet man in Pasadena jedoch vergeblich.
Erst mit RANGER 7 stellt sich im Juli
1964 der Erfolg ein. Während der letzten Viertelstunde vor
dem Aufschlag übermittelt die Sonde mehr als 4000 Aufnahmen
des Mare Cognitum ("Bekanntes Meer").
Auch die beiden, das RANGER-Programm
abschließenden Flüge von RANGER
8 (Feb. 1965) und RANGER 9
(März 1965) liefern phantastische Aufnahmen der Mondoberfläche.
Die Hartnäckigkeit des JPL-Teams hat sich letztendlich bezahlt
gemacht! Mehr als 17.000 Bilder vom Mond, in einer Qualität,
die es bis dahin weltweit nicht gegeben hat, liegen nun in den
Archiven der NASA. |
Abb. 11-5
Aufnahme 35 sec vor dem Aufschlag
von RANGER 9 im Krater Alphonsus.
Das Gebiet ist 51x46 km² groß. |
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Parallel zum RANGER-Projekt
verfolgt ein anderes Team ein anderes Puzzlestück auf dem
langen Weg zum Mond ...
Wir schreiben das Frühjahr 1959 ...
Als das MERCURY-Projekt noch mitten in den Kinderschuhen steckt,
beginnen bereits die ersten Überlegungen bei den Verantwortlichen
der NASA, wie ein bemanntes Nachfolgeprogramm aussehen soll.
Ein Jahr später legt ein Vorbereitungsteam Pläne für
ein ebenfalls glockenförmiges Raumschiff vor, welches doppelt
so groß wie die MERCURY-Kapsel
ist und zwei Astronauten Platz bietet.
Im Laufe der Jahre folgen viele weitere Ideen, Verwerfungen und
wieder neue Ideen.
Zum Jahresende 1961 wird das damals noch "MERCURY-MARK-II" genannte
Programm der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Amerikaner betrachten
das, wenig später in "GEMINI
(engl. "Zwilling") umgetaufte Konzept als natürlichen nächsten
Schritt auf dem Weg, den Präsident Kennedy in seiner Rede
vorgezeichnet hat.
Die Ziele des GEMINI-Programms
lauten:
- Zu beweisen, dass es möglich ist,
längere Raumflüge durchzuführen
- von einer Dauer, die genügt, um zum
Mond und zurück zu fliegen...
- In einer Erdumlaufbahn die Technik von
Rendezvous- und Ankopplungsmanövern zu üben...
- Die Rückkehr der Raumschiffe nach
präzisen Vorgaben in einem bestimmten Zielgebiet
zu erreichen...
- Zu klären, welche Aufgaben frei im
Weltraum schwebende Astronauten durchführen können,
und
- Der Bodenmannschaft und den Astronauten
die notwendige Routine in der Abwicklung bemannter Raumflüge
zu vermitteln.
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Als Trägerrakete dient die zivile Variante der zweistufigen
Interkontinentalrakete TITAN II. Sie besitzt mit 2000 kN
genug Schub, um das neue schwere Raumschiff in eine Erdumlaufbahn
zu befördern.
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Abb. 11-6
GEMINI/TITAN II-Rakete
gerade aufgestellt; links der
Kipplader,
vom Prinzip her wurde er schon
in Peenemünde benutzt.
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Technische Daten:
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Gewicht: 133 t |
Länge: 58,4 m |
Max. Durchmesser: |
3,05
m |
Startschub: 1950 kN |
Nutzlast: 3 t |
Stufen:
2 |
Erstflug: 1965 |
Abb. 11-7
Risszeichnung eines
GEMINI-Raumschiffs
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Abb. 11-8
Größenvergleich
GEMINI - MERCURY
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Das GEMINI-Raumschiff
selbst besteht aus drei Teilen, von rechts nach links in obenstehender
Abbildung: die Piloten"röhre", die doppelsitzige Kommandosektion
und ein Geräteteil mit Bremsraketen, Versorgungs- und anderen
Geräten. Auf einen Rettungsturm wie bei MERCURY
wird fortan verzichtet. Die Astronauten sitzen nun in Schleudersitzen.
GEMINI ist jetzt auch von den Astronauten
selbst lenkbar.
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Es ist interessant, dass man sich
in den USA für diesen Weg entscheidet,
während die Techniker in der UdSSR auf Schleudersitze
in den Raumschiffskonzepten nach WOSTOK verzichten! |
Man will mit kurzzeitigen Flügen
beginnen, denen langdauernde mit diversen Manövern folgen
sollen. Für die Übung von Kopplungsmanövern wird
im späten Stadium des Programms zeitgleich zu einem GEMINI-Start
eine ATLAS- Trägerrakete
gestartet, an deren AGENA-Oberstufe
die Astronauten ihr Raumschiff ankoppeln müssen.
Die ersten Flüge sind für den Jahreswechsel 1963/64
geplant, doch der Zeitplan wird sich um einige Monate nach hinten
verschieben. Auch werden zusätzliche 23 Astronauten für
das GEMINI-Programm rekrutiert, von
denen uns die meisten, die mit einem GEMINI-Raumschiff
geflogen sind, im APOLLO-Mondprogramm
wiederbegegnen:
- Edward "Buzz" Aldrin,
- Neil Armstrong,
- Frank Bormann,
- Eugene Cernan,
- Michael Collins,
- Charles Conrad,
- Gordon Cooper,
- Richard Gordon,
- Virgil Grissom,
- James Lovell,
- James McDivitt,
- Walter Schirra,
- David Scott,
- Thomas Stafford,
- Edward White,
- John Young ...
Sie alle werden nun ein hartes Spezialtraining durchlaufen.
Am 22. November 1963 wird in Dallas/Texas
Präsident John F. Kennedy auf offener Straße ermordet.
Es ist ein Schock für die gesamte Nation,
ja für die gesamte Welt.
Viele Hoffnungen sind in den sympathischen, mutigen und dynamischen
jungen Mann gelegt worden!
Auch innerhalb der NASA, denn Kennedy hat die Entwicklung der
Raumfahrt, anders als sein Vorgänger Eisenhower, tatkräftig
unterstützt. Würde sein Nachfolger
dies auch tun? |
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Abb. 11-9
Lyndon B. Johnson
Präsident der USA |
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Ja, er tut es, denn es ist Lyndon B. Johnson, jener Mann, der
1958 als Senator die treibende Kraft des neuen Raumfahrtgesetzes
gewesen ist; des Gesetzes, das die Gründung der NASA zur
Folge hat.
Die laufenden Raumfahrtprogramme erfahren daher keinerlei Abstriche. |
Fünf Tage nach dem spektakulären
Ausstieg von Kosmonaut Alexej
Leonow aus WOSCHOD
2 startet, von der Öffentlichkeit fast unbeachtet,
am 8. April 1964 erfolgreich die
erste, unbemannte, GEMINI-Kapsel
von Kap Kennedy.
Kap Canaveral ist im November 1963
zu Ehren des ermordeten Präsidenten John F. Kennedy umbenannt
worden.
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Abb. 11-10
Lageplan von Kap
Kennedy
am Kap Canaveral
an der Südspitze Floridas gelegen
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Wir greifen der Übersicht
halber nun auch hier vor und schildern den weiteren Ablauf des GEMINI-Programms
bis zu dessen Beendigung 1966. |
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Auch ein zweiter mit zwei Puppen "bemannter" Flug
verläuft im Januar 1965 nach Plan.
Der erste bemannte Flug wird am 53. Geburtstag Wernher von
Brauns gestartet, dem 23. März 1965.
Virgil Grissom und John Young kreisen dreimal mit GEMINI
3 um die Erde.
Nun geht es Schlag auf Schlag:
Ed White verlässt im Juni für über 20 Minuten die
GEMINI 4-Kapsel.
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Abb. 11-11 Ed
White
verlässt GEMINI 4
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Die Astronauten Cooper und Conrad übertreffen mit ihrer
achttägigen Reise, die sie 120mal um die Erde führt,
den bestehenden Dauerflugrekord von W. Bykowski
mit WOSTOK 6.
Sie haben Glück, denn eine technische Störung in den neuen
Energieerzeugern (erstmals werden Brennstoffzellen
benutzt) führt beinahe zum Abbruch der Mission.
Der erste Doppelflug findet im Dezember statt.
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Frank Bormann und Jim Lovell nähern sich mit GEMINI 6 bis
auf 30 Zentimeter dem Raumschiff GEMINI 7 ihrer Kollegen Walter
Schirra und Thomas Stafford. GEMINI 7 bleibt vierzehn Tage im
All, die längste Zeit, die ein GEMINI-Raumschiff im All bleibt
- ein Rekord, der fünf Jahre halten wird. Im März 1966
koppeln Neil Armstrong
und Walter Scott mit GEMINI 8 als erste Menschen an ein anderes
Weltraumfahrzeug an, eine ATLAS-AGENA-Oberstufe.
Das Unternehmen muss nach dem ersten Koppeln abgebrochen werden,
da gefährliche Taumelbewegungen auftreten.
Auch bei GEMINI 9 (Juni) läuft nicht alles rund:
Der Kopplungsadapter der AGENA-Oberstufe hat sich nicht vollständig
geöffnet, es können nur Rendezvousmanöver durchgeführt
werden. Gene Cernan steigt für über zwei Stunden aus
dem Raumschiff.
Der Flug von GEMINI
10 im Juli 1966 beweist, dass die Astronauten auch allein
mit bordeigenen Instrumenten eine Kopplung durchführen können
(John Young und Michael Collins).
Auch die letzten beiden Flüge des GEMINI-Programms im September
bzw. November 1966 verlaufen erfolgreich (GEMINI 11 mit Conrad
und Gordon, GEMINI 12 mit Jim Lovell und
Buzz Aldrin).
Auch wenn es einige technische Pannen und Materialschäden
bei GEMINI gegeben hat, insgesamt ist das Programm ein großer
Erfolg für die USA!
Alle beteiligten Menschen erhalten die Zuversicht, dass ihr Langzeitplan
"Man-to-the-Moon" funktionieren kann. Das Vertrauen der Verantwortlichen
in das gesamte bemannte Raumfahrtprogramm wächst:
Astronauten können lange genug für eine Mondmission
im All bleiben und sie können dort mit wachem Bewusstsein
arbeiten.
Raumschiffe können gekoppelt werden, eine unabdingbare Voraussetzung
für das APOLLO-Mondprogramm, auf das wir später zu sprechen
kommen. Von zehn Kopplungsmanövern haben neun funktioniert,
das ist eine sehr gute Quote.
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dieser Seite am 04.04.2004
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