"Seit Beginn des Raumflugzeitalters im Jahre 1957
ist es das erklärte Ziel der sowjetischen Raumfahrtpolitik
gewesen,
den Führungsanspruch auf diesem Gebiet zu stellen
und mittels dieser beanspruchten Rolle
weitergehende politische Ansprüche für das sowjetische
System
durchzusetzen zu versuchen."
J. G. Whelan, Ostblockspezialist der amerikanischen
Kongressbibliothek
|
Überall wird fleißig gearbeitet, allein
Präsident Chruschtschow ist ungeduldig, er braucht unbedingt
eine vorzeigbare spektakuläre Weltraummission. Denn die Amerikaner
drohen mit dem GEMINI-Programm, das heißt mit der Kopplung
zweier Raumschiffe. Der getreue Koroljow liefert ihm dasWOSCHOD-Konzept
(russ. für "Sonnenaufgang"), eine Zwischenlösung nach
WOSTOK
und vor SOJUS.
|
Ursprünglich stellt ein WOSCHOD-Raumschiff
eine modifizierte WOSTOK-Kapsel
für einen Kosmonauten dar. Im Erdorbit sollen Langzeitaufenthalte,
die ersten Ausstiege ins All bzw. Andockmanöver auf dem Menüzettel
stehen. Journalistenmitflüge, ja die erste ausschließlich
weibliche Crew sind im Gespräch.
|
Abb. 14-1
Raumschiff
WOSCHOD
|
|
|
Sergej Koroljow hält dem
politischen Druck wider besseren Wissens nicht stand:
Das neue Raumschiff - SOJUS -
liegt noch in weiter Ferne.
Tschelomejs LK-1 - Konzept
hat – aus Koroljows Sicht –
leider die Priorität bei seinem obersten Chef. Für einen
neuen Rekord müssen mehr Kosmonauten in der Kapsel untergebracht
werden als vorgesehen.
Die einzige, gefährliche Lösung:
|
Der einzig vorhandene Schleudersitz, als Lebensversicherung
des Piloten für den Fall vorgesehen, dass die aus der guten
alten R7 entwickelte
WOSCHOD-Trägerrakete in den ersten 27 Sekunden vor dem
Zünden der oberen Triebwerksstufe fehlerhaft funktioniert,
wird ausgebaut.
|
Abb. 14-2
Modell
einer
WOSCHOD-Trägerrakete
|
|
|
Man ersetzt sie durch zwei weitere "normale"
Sitze, senkrecht zu der ehemaligen Sitzposition. Was heißt,
dass sich die künftigen Piloten den Hals verrenken müssen,
um die in der Originalposition befindlichen Instrumente ablesen
zu können.
Sogar für Raumanzüge ist kein Platz mehr!
Die Insassen hätten im Falle des Falles keine Überlebenschance!
Aber danach fragt kaum einer nach dem erfolgreichen Flug:
|
|
WOSCHOD
1 startet am 12. Oktober 1964
für einen vierundzwanzigstündigen Flug von Baikonur.
Die Sowjetunion bringt als erste Nation drei Menschen ins All,
den Kosmonauten Wladimir Komarow, den Raumschiffskonstrukteur
Konstantin Feoktistow und den Arzt Boris Jegorow; die letzteren
beiden sind Zivilisten.
|
Die Rückkehrkapsel besitzt eigene kleine Bremstriebwerke, die
für eine weiche Landung dicht über dem Boden eingesetzt
werden. Einen zu starken Aufprall hätten die seit WOSCHOD
in der Kabine landenden Insassen nicht überlebt.
Ein weiterer Sieg, doch ein sehr zweifelhafter Sieg!
|
Nur einen Tag später schlagen Donner und Blitz
in die politische Führung der Sowjetunion ein:
Die Kubakrise, das Fiasko in der Schweinebucht,
hat Präsident Chruschtschow
letztendlich zu Fall gebracht. Er wird vom Kreml durch Leonid
Breschnew ersetzt.
Der neue Staatspräsident hat weit weniger Interesse an Nr.1
- Erfolgen, als es sein Vorgänger gehabt hat.
Zum Aufatmen ist es für Sergej Koroljow jedoch zu spät,
denn der WOSCHOD-Countdown läuft weiter ...
|
Abb. 14-4
WOSCHOD 2 -
Besatzung
|
Alexej Leonow
|
Pawel Beljajew
|
|
Der Kosmonaut Alexej Leonow
(geb. 30. 05.34) verlässt
als erster Mensch für 12 Minuten
am 18. März 1965 sein WOSCHOD
2 -Raumschiff und spaziert
an einer 5m langen Leine ins All.
Im Falle, dass Leonow ohnmächtig geworden wäre, hätte
ihn sein Partner Pawel Beljajew an der Leine heranziehen und in
die Schleuse ziehen müssen.
|
Es wird noch einige Monate dauern, bis die Amerikaner mit GEMINI
4 und dem Astronauten Ed White eine vergleichbare Mission
vorweisen können.
|
Alexej Leonow benutzt eine Testversion des für
die Mondlandung vorgesehenen Raumanzugs "KRETCHET".
Die Mission scheitert beinahe, da der Anzug im Vakuum so aufgebläht
wird, dass sich Leonow nur mit größter Mühe bei
der Rückkehr in die Einstiegsluke des Raumschiffes zwängen
kann.
Auch die Landung erfolgt nicht so, wie man es geplant hat.
Wegen einer Störung im Lageregelsystem wird das automatische
Landemanöver gestoppt. Die beiden Kosmonauten müssen
die Erde ein weiteres Mal umrunden, bis sich die Bodenstation
für eine manuelle Landung entscheidet. Beljajew schaltet
das Bremstriebwerk wie vorgeschrieben über Afrika ein, doch
die WOSCHOD-Kapsel landet nicht in
der kasachischen Steppe sondern in einem unzugänglichen verschneiten
Waldgebiet im Uralgebirge. Erst nach Stunden werden die Kosmonauten
von den Suchtrupps gefunden.
Der Öffentlichkeit werden die Pannen beim Flug verschwiegen.
|
Abb. 14-5
Raumanzug
"KRETCHET"
|
|
|
WOSCHOD 2 wird der
letzte bemannte Raumflug der UdSSR für die nächsten
zwei Jahre sein.
Die Zahl der Raumflüge wird künftig zunehmen,
dazu werden weitere Kosmonauten gebraucht. Kosmonauten
ist richtig formuliert, denn abgesehen von der schon erwähnten
Frauengruppe um Walentina Tereschkowa-Nikolajewa
wählt General Kamanin in den nächsten 15 Jahren nur
noch Männer aus. Das Kandidatenalter ist nun auf 25-42 Jahre
begrenzt.
Aus dem bisherigen Sternen"dorf" Swjosdny Gorodok wird nun die
Sternenstadt
Swjosdny Gorodok.
In einer großen Halle steht der SOJUS-Simulator
mit einer originalen Kommando- und Orbitalsektion. Für die
Gewöhnung an die Vibrationen der Start- und Landephase gibt
es einen, von den Kosmonauten gefürchteten "Schüttelrost".
In einer Zentrifuge rotiert ein Kabinenmodell um die drei Raumachsen,
bis zu 12 G treten dabei an Anpressdruck auf.
Eine TUPOLEW-104 steht für Übungen
in kurzer Schwerelosigkeit jederzeit zum Start bereit.
Für die dort lebenden Menschen werden Wohnhochhäuser,
ein Hotel, Kaufhäuser, Kulturzentrum, Krankenhaus, ein Flugplatz...
gebaut.
Sie nennen ihre neue Heimat weiterhin liebevoll
"Sternenstädtchen".
|
Inhalt Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004
|