"Heute
hat ein Kongressabgeordneter erklärt, er sei es leid,
uns hinter den Russen nur auf dem zweiten Platz in der Raumfahrt
zu sehen.
Welche Aussichten haben wir die Russen einzuholen?"
"Wenn man es auch leid ist, und niemand ist das mehr als ich,
es wird noch eine Weile dauern."
Präsident John F. Kennedy 1961 in einer
Pressekonferenz |
Nach diesem ausgiebigen Ausflug in die technischen Details kehren
wir zurück zum historischen Ablauf der Ereignisse. Resümieren
wir deshalb zunächst den Stand der Mondforschung in der UdSSR
am Beginn des Jahres 1965, d.h. nach dem Regierungswechsel Chruschtschow
—» Breschnew.
Drei Schwerpunkte haben sich herausgebildet:
- Das bemannte Mondlandeprogramm N1-L3:
ist im gleichnamigen Kapitel
schon vorgestellt worden...
-
Das bemannte Mondumlaufprogramm
(ehemals LK-1, nun
L-1 abgekürzt):
Ehemals unter dem Kürzel LK-1 unter Leitung Wladimir Tschelomejs
laufend, ist diesem, wie schon erwähnt, die Gunst des Gönners
Chruschtschow entzogen worden. Sergej Koroljow erweist sich
jetzt als strategischer Fuchs, der es versteht, die Zeichen
der Zeit für sich zu nutzen.
In den April-Tagebuchaufzeichnungen General Kamanins, des Ausbilders
der Kosmonauten, ist nachzulesen, dass der Chefkonstrukteur
vor Wochen begonnen hat, mit seinem alten Widersacher Gluschko
zu kooperieren. "Man habe doch die gleichen
Interessen: ein Raumschiff zum Mond zu entsenden."
Gluschko ergreift die sich ihm bietende Chance und Koroljow
hat seinen Kontrahenten Wladimir Tschelomej endgültig ausgebootet:
Er erhält vom Kreml die Option auf ein modifiziertes Mondorbitprogamm,
eine Kombination aus Tschelomejs und seinem eigenen L3-Konzept,
nun L-1 genannt.
Als Trägerrakete übernimmt Koroljow aus dem LK-1-Paket
die PROTON, ergänzt
sie durch das L3-BLOCK-D-Triebwerk,
um mit dieser Kombination ein
modifiziertes SOJUS-Raumschiff
in einen Mondorbit zu transportieren. Damit hat er zwei
Fliegen mit einer Klappe geschlagen:
Er hat die besten Triebwerke ohne eigenen Forschungsaufwand
bekommen und seinen ärgsten Widersacher zum Zuschauer verdammt.
Im November 1965 erwartet man den ersten bemannten Mondumflug;
in zwei Jahren also zum 50-jährigen Jubiläum der bolschewistischen
Revolution (1917).
Die streng getarnten Testflüge für das L-1-Projekt
werden später der Öffentlichkeit als SOND-Missionen
präsentiert werden - dazu kommen wir später ...
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- Unbemannte Mondsonden: L-2
Die unbemannten LUNA-Sonden machen eine schwere
Zeit durch.
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Die Anfänge mit LUNA 1 und LUNA 2 sind weltweit spektakuläre
Erfolge gewesen, doch danach reiht sich ein Fehlschlag an den
andern:
Die in den Jahren 1963-65 gestarteten Mondsonden LUNA 4 bis
8 erreichen sämtlichst nicht ihr Ziel. |
Abb. 20-1
Gedenkmarke an den Start
der Mondsonde LUNA
4 |
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Abb. 20-1b
Georgi Babakin
LUNOCHOD-Konstrukteur |
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Sergej Koroljow muss sich persönlich dafür
einsetzen, um die LUNA-Serie
vor der Streichung zu bewahren.
Er beauftragt deshalb den besten sowjetischen Raumsonden-Konstrukteur,
Georgi Babakin, eine neue Generation
von schweren Mondsonden herzustellen:
die Ye-8-Serie. |
Die Ye-8-Sonden sollen jeweils
ein großes, fernsteuerbares Mondfahrzeug zum Mond bringen.
Der LUNOCHOD-Rover
soll dann den Landeplatz für die einen Monat später
bevorstehenden Ankünfte der unbemannten bzw. bemannten
L3-Raumschiffe erkunden und Signal"bojen"
aussetzen.
Nicht nur das, er soll sogar mit Sauerstofftanks ausgestattet
sein und auf einer Art Sitz einem Kosmonauten Platz bieten,
um ihn im Notfall von dessen LK-Lander
bequem zum "Backup"-Lander zu transportieren (wie im vorherigen
Kapitel beschrieben).
Auch eine abgespeckte Ye-8-Version
soll es geben:
ohne Landebeine und ohne Räder (Ye-8LS), die nur für
die fotografische Erkundung des Landegebietes aus einem Mondorbit
konstruiert wird.
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>>>
Mitte des Jahres 1965 kontrolliert Koroljow alle Monderforschungsprojekte.
Damit verfügt Sergej Koroljow über ein komplettes
Monderforschungsprogramm! <<< |
Inzwischen sind auch die Arbeiten an der N1-Trägerrakete
fortgeschritten.
Die Nutzlast ist auf 90 Tonnen erhöht worden.
Zu den 24 Kusnezow-Triebwerken
der ersten Stufe müssen deshalb sechs
weitere in zentraler Position hinzugefügt werden.
Heiß diskutiert wird das Problem, wie man die N1-Triebwerke
aus den Fabriken Kusnezows und wie die neue SOJUS-Trägerrakete
aus Kuibyschew nach Baikonur transportieren soll.
Pläne mit riesigen Flugzeugen, einem sowjetischen Highway,
sogar ein Kanal vom Kaspischen Meer bis nach Baikonur werden
in die Diskussion eingebracht.
Am Ende entscheidet man sich für die vernünftigste
und preiswerteste Lösung:
den Transport auf den schon vorhandenen und leichter auszubauenden
Schienenwegen.
Noch viel weitreichendere Pläne
werden im Planungsbüro OKB-1 diskutiert ...
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auch Wissenschaftler dürfen
Science-Fiction-Träume haben: |
Werden die geplanten L3-Mondlandungen erfolgreich abgeschlossen,
dann will man sogar eine Basisstation "ZVESDA"
auf dem Mond erbauen.
Im Prinzip gelten diese Studien genauso für die Errichtung
einer Station auf einem beliebig anderen Trabanten bzw. Planeten
unseres Sonnensystems.
LUNOCHOD-Rover würden zuerst einen geeigneten Bauplatz
ausfindig machen und mit Bodenproben zur Erde zurückkehren,
um diese auf Eignung für den Untergrund eines Bauwerk zu
prüfen.
L3-Raumschiffe würden die kosmonautischen "Bauarbeiter"
zum Mond bringen.
Diese würden mit LK-Landefähren
zwischen den im Orbit befindlichen Raumschiffen mit den einzelnen
Bauteilen von ZVESDA und dem Mond hin- und herpendeln. Nuklearbetriebene
LUNOCHOD-Varianten, ausgerüstet mit automatischen Bodenprobensammlern,
würden den Kosmonauten für Langzeitfahrten zur Verfügung
stehen. Im TssnIIMash Museum in Koroljow steht eine modellierte
Szene der ZVESDA-Basis:
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Abb. 20-2 a+b
ZVESDA-Mondbasis
im Miniaturmodell |
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Links
vorne und hinten zwei LK-Mondlandefähren.
In der Mitte befinden sich vier verschiedene LUNOCHOD-Rover,
der größte ist die Nuklearantriebsversion.
Im Vordergrund stehen drei LUNA-Sonden.
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Auch absolvieren ausgewählte Kosmonauten Trainigseinheiten
für Mondmissionen.
Es gilt heute als gesichert, dass Juri
Gagarin, der erste
Mensch im All, und inzwischen zum Chef des Kosmonautenteams
avanciert, auch der Kommandeur der ersten Mondlandung sein sollte.
Doch aus ungeklärten Gründen ist Gagarin einige Jahre
nicht im All gewesen.
Juri Gagarin stirbt unter tragischen Umständen am 27. März
1968, als er nach langer Flugpause bei einer Übung mit einem
MIG-15-Jäger abstürzt.
Die sowjetische Raumfahrt hat einen ihrer Helden verloren.
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Derweil holen die Amerikaner langsam aber stetig im Mondwettlauf
auf. Sie können ihre erste Nummer 1 vermelden:
Als erste Nation realisieren sie im All ein Rendezvousmanöver
zweier Raumschiffe.
Die Astronauten Wally Schirra und Thomas Stafford an Bord von
GEMINI 6 können ihren Kollegen Frank Bormann und James Lovell
in GEMINI 7 fast "die Hände reichen":
Bis auf 32 Zentimeter nähern sich zur Vorweihnachtszeit 1965
beide Raumschiffe einander.
Wenige Monate später absolvieren im März 1966 ein gewisser
Neil Armstrong,
dessen Name später in die Geschichtsbücher eingehen
wird, mit seinem Partner Dave Scott mit GEMINI 8 das erste echte
Kopplungsmanöver im All.
Weitere vier problemlose GEMINI-Flüge mit Langzeitaufenthalten
im All, Weltraumausstiegen und Andockmanövern folgen bis
zum Ende des Jahres.
Das GEMINI-Programm ist ein voller Erfolg der Amerikaner. Balsam
für die amerikanische Volksseele...
Ungeachtet der Opposition im Kongress, ungeachtet der immensen
Forderungen der Militärs für die Weiterführung
des Vietnamkrieges erhält die NASA 1966 weitere 3 Milliarden
Dollar für das APOLLO-Projekt bewilligt, wesentlich mehr
als ihre sowjetischen Kontrahenten.
Die gigantische Trägerrakete SATURN
V ist für die ersten Bodentests bereit.
Auch die beiden Mondsondenprogramme LUNAR
ORBITER und SURVEYOR sind äußerst
erfolgreich abgeschlossen worden.
LUNAR
ORBITER: |
Abb. 20-3
Erde und
Mondoberfläche,
fotografiert von
LUNAR ORBITER
am 10.01.1966 |
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Bezeichnet man RANGER
als Lehrlingsstück der amerikanischen Raumsondentechnik,
so ist LUNAR ORBITER ihr Meisterstück!
Sämtliche Sondenflüge, fünf an Zahl, können
zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligten innerhalb von einem
Jahr zwischen Aug. '66 und Aug. '67 durchgeführt werden.
Insgesamt über 3100 Bilder des Mondes,
aus Höhen von 200 km bis zu 40 km fotografiert, liefern der
NASA einen umfassenden Atlas mit wertvollen Informationen über
die Beschaffenheit der Oberfläche.
Nun kann man geeignete Landeplätze für die späteren
bemannten Flüge auswählen.
Als Trägerrakete der Sonden dient die inzwischen bewährte
ATLAS-AGENA.
Die Sonden selbst - 1,70m hoch, 1,50m breit und 390 kg schwer
- sind mit einem kompletten fotografischen Labor ausgerüstet.
Die Aufnahmen werden noch in der Mondumlaufbahn entwickelt und
auf einem Film gespeichert. |
SURVEYOR LUNAR ORBITER sollte
klären, wo Astronauten auf dem Mond landen können.
Aber wie fest ist der Boden eines ausgesuchten Platzes? Wie dick
ist die Staubschicht über ihm?
Als logisches Folgeobjekt der RANGER-Sonden ist die SURVEYOR-Serie
für weiche Mondlandungen ausgelegt worden. Die Erfolgsquote
der praktisch zeitgleich zu LUNAR ORBITER stattfindenden Flüge
ist nicht ganz so erfolgreich:
Bei sieben Flügen zwischen Mai '66 und Januar '68 sind zwei
Fehlschläge zu verzeichnen. Alle erreichen zwar verschiedene
Stellen des Mondes, doch SURVEYOR 2 & 4 stürzen vor der
weichen Landung ab.
Über 86.000 Photos senden dagegen die fünf erfolgreichen
Missionen zurück an die Bodenstation, vom Blick über
den Horizont bis zum Steinchen neben dem Landefuß. Zwei
Sonden nehmen Bodenproben und führen erste Analysen durch;
sie geben Aufschluss über die Beschaffenheit des Mondgesteins.
Die Wissenschaftler sind nicht wenig überrascht:
Jeder der fünf Landeplätze
stellt sich als geeignet für Landung und Start einer bemannten
Mondfähre heraus! |
Im Juni 1968
wird das amerikanische Mondsondenprogramm abgeschlossen.
Die NASA hat zwar später den Mond erreicht als die Sowjets
mit ihrer LUNA-Serie, aber die Ausstattung der amerikanischen
Sonden ist wesentlich umfangreicher und liefert detailliertere
Informationen.
Man ist in den USA bereit, das nächste Projekt
anzugehen:
die Entsendung von Astronauten zum
Mond ...
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Die Sowjets reagieren darauf fast panikartig:
Ein dritter, zweiwöchiger, für den Mai 1966 geplanter
WOSCHOD-Flug wird
erst um zwei Monate nach hinten verlegt, dann völlig gestrichen
- um Zeit zu sparen und um sich für den ersten Start des
neuen Raumschiffs SOJUS gezielt
vorzubereiten.
Anstelle der nuklearbestückten militärischen Raumstation
OS-1
wird nun eine kleinere Variante ins Auge gefasst:
ALMAZ, mit PROTON-Trägern
versorgt, die sowjetische Antwort auf das von der US-Luftwaffe
geplante MOL-"Laboratorium".
ALMAZ flog 1974 bzw. 1976 unter den Decknamen SALJUT
3 und SALJUT 5 neunzig bzw. 411
Tage im All.
Neben wissenschaftlichen Experimenten standen auch militärische
Spionageaufträge.
Das Projekt erlitt Verzögerungen und wurde letztendlich 1978
gestrichen, da ihre Fürsprecher, General Kamanin und Konstrukteur
Tschelomej, bei der politischen Führung in Ungnade fielen.
Einige ALMAZ-Bauteile sind danach in zivile SALJUT-Stationen integriert
worden.
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Abb. 20-4
ALMAZ-Raumstation |
Technische Daten: |
Gewicht: 17,8 t |
Länge: 14,60 m |
Max. Durchmesser: 4,20m |
Bew Vol.: 100 m³ |
Nutzlast: 5 t |
Lebensdauer:
410 Tage
Besatzung: 2 Kosmonauten |
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Inhalt Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004
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