"Unser Mondprogramm ist weit mehr als ein Versuch,
um jeden Preis die erste Nation zu sein,
die in irgendeinem Mondkrater ein Schild mit den Worten‚
'McKilroy is watching you' aufstellt."

Wernher von Braun


Das neue Jahr ist angebrochen - für das L1-Mondorbitprogramm bedeutet es den langsamen Niedergang.
Ein ungeschriebenes Gesetz der politischen Führung in der UdSSR lautet etwas überspitzt formuliert:

"Solange wir vorne sind, ist die Unterstützung jeden Rubel wert. Liegen die Amerikaner vorn, lohnt es kaum mehr, auch nur einen Rubel zu investieren."

Ob diese Haltung aufgrund des jahrelangen Vorlaufes in diesem Fall sinnvoll ist, sei dahingestellt. Schlüssig nachzuvollziehen also, dass sich nach dem erfolgreichen APOLLO 8-Flug die Aufmerksamkeit weg vom L1-Mondorbit- hin zu dem bemannten L3-Projekt zuwendet.

Bevor auch wir dies tun wollen,sei kurz der Fortgang des Mondorbitprogramms L-1 skizziert:

Abb. 24-1

SOJUS-L1-Raumschif

Abb. 24-1  SOJUS/L1-Raumschiff

Nur noch wenige Flüge werden genehmigt. Der erste im Januar scheitert aufgrund eines Fehlers in der zweiten Stufe des PROTON-Trägers. Immerhin funktioniert das Startnotfallsystem perfekt, die SOJUS-Kapsel wird abgestoßen und landet unversehrt in der Mongolei.


Abb. 24-2

SOND 7
- fotografiert die Erde

Abb. 24-2  SOND 7 - fotografiert die Erde

Der nächste Flug, SOND 7 (am 13. August 1969) wird der einzige, komplett erfolgreiche Flug eines L1-Raumschiffes sein; der Mond wird in einem Abstand von nur 1500 km passiert.
Mitfliegende Kosmonauten wären heil zur Erde zurückgekehrt ...
Wären!

Drei Monate später soll eines der bemannbaren L1-Raumschiffe, kombiniert mit einem BLOCK-D-Triebwerk, in einer Erdumlaufbahn getestet werden.
Auch dieser Start schlägt fehl.

SOND 8 wird zum Teilerfolg:
Am 20. Oktober 1970 erfolgt der Start in Baikonur, der Mond wird umrundet.
D ie Rückkehr endet schicksalsträchtig, wie schon zweimal, im Indischen Ozean: Versenkt ...

Die letzte (bemannbare)

L1-Kapsel dient schließlich als Test für das BLOCK-D-Triebwerk in einer Erdumlaufbahn.
Unter dem Decknamen KOSMOS 382 endet für die Sowjetunion der erste Teil des Mondwettlaufs unspektakulär und unrühmlich.


Wenden wir uns nun dem einzig noch Erfolg versprechenden sowjetischen Mondprofil zu, dem N1-L3-Mondlandepaket:

Die Konzentration der Tätigkeiten auf das L1-Programm in den Jahren 1967/68 geht auf Kosten der Erprobung des SOJUS-LOK-Mutterschiffes und dessen Kopplung mit der LK-Mondfähre.
Erst am 14. Januar 1969 startet Kosmonaut Wladimir Schatalow mit SOJUS 4 zu dem ersten vollständig bemannten Kopplungsmanöver zweier Raumschiffe.
Einen Tag später folgen die Kosmonauten Boris Wolynow, Jewgeni Chrunow und Alexej Jelissejew mit SOJUS 5.

Nach dem gelungenen Andocken steigen Chrunow und Jelissejew mit, den lunaren vergleichbaren Raumanzügen aus und "besuchen" Schatalow.
Sie sind die ersten Postboten im All und überreichen ihrem Kollegen Briefe von Angehörigen sowie Zeitungen mit Berichten über den Start von SOJUS 4.

In der Öffentlichkeit wird die SOJUS-4 & -5-Mission nicht ganz zu Unrecht als "erste Raumstation der Menschheit" gefeiert; ein Zusammenhang mit einem vermuteten Mondprojekt wird allerdings bestritten.


Abb. 24a - e

SOJUS 4 & 5 - Kopplung

(hier im Modell)

Abb. 24-3 SOJUS 4 & 5-Kopplung im Modell
Abb. 24-4a Wladimir Schatalow (Sojus 4) Abb.  24-4b  Jewgeni Chrunow (Sojus 4) Abb. 24-4c  Alexej Jelissejew (Sojus 5) Abb. 24-4d  Boris Wolynow (Sojus 5)
SOJUS 4 - Crew:
Wladimir Schatalow und
Jewgeni Chrunow
SOJUS 5 - Crew:
Alexej Jelissejew und
Boris Wolynow

Trotz des rundum erfolgreichen Rendezvous ist Chefkonstrukteur Mischin konsequent gewesen:
Er hat schon vierzehn Tage vor dem Doppelstart entschieden, dass beim ersten (im nächsten Monat anstehenden) N1-Start die Trägerrakete ein unbemanntes L1-Raumschiff, also ein modifiziertes SOJUS -Schiff, als Nutzlast an Bord haben soll. Man erhofft sich davon hochauflösende Fotografien geeigneter Landeplätze auf dem Erdtrabanten.

Dem gleichen Zweck soll der erste Start eines Ye-8-Mondrovers am 19. Februar dienen. Doch bedauerlicherweise explodiert die PROTON -Trägerrakete 40 Sekunden nach dem Start.



Zwei Tage später ist es dann soweit:

Eine N1-Trägerrakete mit der Bezeichnung N1-3L ist auf dem Kosmodrom in Baikonur zum Jungfernflug aufgerichtet.

In alter Tradition wie bei Schiffstaufen hat zuvor Chefkonstrukteur Wassili Mischin persönlich eine Flasche Krimsekt an dem Giganten zerschlagen.

21. Februar 1969,
12:18:06 OEZ,
Start!

Abb. 24-5

Die erste N1-Trägerrakete
wird aufgerichtet ...

 

Abb. 24-6  N1-L3 startet ..


Abb. 24-6

...
und
N1-3L startet

 

Videos:
AVI (2,2 MB)
REAL:
gute Qualität (1,1 MB)
geringe Qu. (61 kB)

Die Rakete hebt planmäßig ab und steigt in den Himmel auf. Erster Jubel brandet im Kontrollzentrum auf.

Nicht lange, dann wird er von bangem Entsetzen und anschließendem beklemmendem Schweigen abgelöst.
Das Sicherheitssystem KORD ist 66 Sekunden nach dem Start aktiviert worden, die L1-Nutzlast ist abgesprengt worden, die restliche Rakete ist explodiert.


Was ist geschehen?


Eine plötzlich aufgetretene hochfrequente Resonanzoszillation im NK-15-Triebwerk #2 der ersten Stufe zerreißt die Befestigungen einiger ihrer Komponenten, verursacht ein Leck in der Brennstoffzuleitung und verursacht einen Brand.
Das KORD-System entdeckt das Feuer und ... soll nun eigentlich das gegenüberliegendeTriebwerk abschalten.
Das geschieht aber nicht, vermutlich, weil die Temperatur im fehlerhaften Triebwerk höher gewesen ist als in der Theorie vorgesehen; statt dessen gibt KORD nun einen falschen Befehl an alle 30 Triebwerke der ersten Stufe weiter:
Herunterfahren.

Der restliche Ablauf wird jetzt verständlich:
Allzu hoch ist die Rakete noch nicht in die Atmosphäre aufgestiegen.
Um die Nutzlast zu retten, wird diese vorschriftsmäßig abgesprengt.
Um die Umgebung des Kosmodroms vor großen aufschlagenden Raketenteilen zu schützen, werden die einzelnen Stufen zur Explosion gebracht.

Auch der Westen nimmt auf seine Weise Anteil an dem Unglück:
Der britische Geheimdienst hat den ersten N1-Start registriert und gibt die Meldung an den großen Bruder CIA weiter. Doch der hat aus irgendeinem Grund die Aktion verschlafen und wird noch jahrelang leugnen, dass der Raketenstart überhaupt stattgefunden hat.

Bei den sowjetischen Technikern paart sich Bestürzung mit teilweiser Zufriedenheit.
Der für das KORD- wie für alle anderen Kontrollsysteme verantwortliche Konstrukteur Pilyugin, das As der sowjetischen Raumfahrt für diesen Bereich, meint:
Der erste Teil des Starts ist gut verlaufen ... Hoffnung also, dass es beim nächsten Mal besser funktionieren wird!

Chefkonstrukteur Mischin teilt den Zweckoptimismus einiger Kollegen nicht.
Er fordert von den über ihm stehenden Offiziellen, dass alle Triebwerke und alle Raketenstufen vor dem nächsten Start am Boden vollständig getestet werden sollen. Vollständig heißt: einschließlich Zündung und Abbrennung.
Der neue Chefkonstrukteur wird mit der üblichen Begründung abgewiesen, es seien nicht genug Gelder dagewesen.


Auch dies ist eine Entscheidung,
die man später bitter bereuen wird ...

 

Den Sowjets läuft nun die Zeit weg, die Amerikaner eilen steten Schrittes davon ...


APOLLO 9

im März 1969 erprobt mit den Astronauten James McDivitt, Dave Scott und Rusty Schweickhart die Bemannung der Mondlandefähre LM, noch in einem Erdorbit.

Abb. 24-7b  APOLLO 9 - Emblem


APOLLO 9 und 10

(Links zu Medien)

Abb. 24-9b  APOLLO 10 - Emblem
Abb. 24-7a  APOLLO 9: James McDivitt, Dave Scott und Rusty Schweikart Abb. 24-8  Kopplungsmanöver von CSM und LEM Abb. 24-9  APOLLO 10: Gene Cernan, Thomas Stafford und John Young


Abb. 24-7

APOLLO 9:
James McDivitt,
Dave Scott,
Rusty Schweickhart


Abb. 24-8

Kopplungsmanöver der
CSM- und LM-Module
im Modell


Abb. 24-9

APOLLO 10:
Gene Cernan ,
Thomas
Stafford,
John Young


Im Mai fliegen mit APOLLO 10 die Astronauten Gene Cernan, Thomas Stafford und John Young zum Mond und erproben im Mondorbit bei 31 Umrundungen alle Phasen einer Mondlandung erfolgreich.
S sie nähern sich bis auf 15 km der Mondoberfläche, nur landen dürfen sie noch nicht.
Die Rückkehrkapsel wassert unversehrt.

Die Amerikaner sind nun bereit für die erste Mondlandung!


 

Nur Wunder können die UdSSR noch vor einer Niederlage retten; aber die bleiben erfahrungsgemäß dann aus, wenn man hastig ist ...

Zwei weitere Starts von Ye-8-Mondsonden schlagen im April bzw. Juni fehl.

Dann ist es soweit für den zweiten N1-Start:
Am 03. Juli 1969 soll eine modifizierte N1-Rakete - mit verbessertem Kordsystem - gestartet werden:

N1-5L


Abb. 24-10a

Trägerrakete N1-5L
wird zur Startrampe transportiert ...

Abb. 24-10  N1-5L wird zur Startrampe transportiert


Videos:

AVI (1,8 MB)

REAL:
gute Qualität (1,1 MB)
geringe Qu. (69 kB)


Abb. 24-10b

...und startet

Abb. 24-10b   Nachtstart von N1-5L

Liftoff:

Neun Sekunden sind vergangen, die Rakete ist in der Zeit nur um 200 Höhenmeter gestiegen, ihr unteres Ende befindet sich also nur wenige Meter über dem Kontrollturm der Abschussrampe, da explodiert die Sauerstoffpumpe von Triebwerk #9.
Sie hat unmittelbar nach dem Start aufgrund eines losen Teils begonnen fehlerhaft zu arbeiten ...
... und wie beim ersten N1-Startversuch entsteht ein Feuer. Es greift um sich.
Das KORD -System reagiert genauso fehlerhaft wie beim ersten Start und lässt alle Triebwerke herunterfahren ...

und das Desaster nimmt seinen Lauf:
Die Nutzlast, ein weiteres unbemanntes L-1-Raumschiff, wird einige Sekunden später abgestoßen und damit noch gerettet,
doch was viel viel schlimmer ist:

Der Booster fällt unter einem Winkel von 45 Grad zurück auf den Abschusskomplex!
Die gewaltige Explosion zerstört den N1-Abschusskomplex Ost komplett, sie verursacht auch schwere Schäden an Komplex West und sogar an der 500 Meter entfernt aufgestellten N1-1M-Testrakete!
Abb. 24-11  Im oberen Bildteil der durch die Raketenexplosion zerstörte Abschussrampenkomplex Ost in Baikonur
Abb. 24-11

Im oberen Bildteil
der durch die Raketen explosion
zerstörte Abschussrampenkomplex Ost


Dieses Mal hat der CIA aufgepasst; was allerdings nicht allzu schwer gewesen ist.
Die Schäden am Kosmodrom in Baikonur sind noch jahrelang mit Spionagesatelliten nachzuweisen!

Zwei lange Jahre wird es dauern, bis der vollständig zerstörte Komplex Ost wiederaufgebaut ist.



Die letzte kleine sowjetische Hoffnung bleibt nun noch das Mondsonden-Programm Ye-8.

Am 13. Juli 1969
startet mit einer PROTON-Trägerrakete
die Sonde LUNA 15
Richtung Mond ...

während...


Abb. 24-12

LUNA 15

Mondsonde

Abb. 24-12  LUNA 15 - Mondsonde

von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt im Fernsehen begleitet, drei Tage später am 16. Juli 1969 die Astronauten Edwin "Buzz" Aldrin, Neil Armstrong und Michael Collins das Raumschiff APOLLO-11 betreten ...

Ein paar Minuten vergehen noch, bis die fünf Triebwerke der ersten Stufe der SATURN V die Startrampe erbeben lassen.
13.000 Liter Treibstoff benötigen sie in der Sekunde, um mit einem Schub von 180 Millionen PS die Rakete langsam abheben zu lassen.
"All systems are go"
vermeldet Sam Phillips, der Direktor des übergreifenden APOLLO-Kontrollzentrums in Houston/Texas:
Alles in Ordnung!

Es bleibt weiterhin so:
Das Abtrennen von 1. und 2. Stufe, die Zündung der 3. Stufe, das Einlenken in die Parkbahn im Erdorbit, das erneute Zünden der 3. Stufe zum Beschleunigen auf die Flugbahn zum Mond, das Abtrennen der IV-B-Stufe vom LUNAR MODULE, der dreitägige Flug bis zum Mond ...

Abb. 24-13

SATURN V startbereit

Abb. 24-14

APOLLO 11

Abb. 24-14a  APOLLO 11-Crew: Edwin Buzz Aldrin, Neil Armstrong und Michael Collins

Abb. 24-13 SATURN V startbereit


Missionsemblem

Abb. 24-14b  APOLLO 11 - Emblem


Crew:

Edwin "Buzz" Aldrin ,
Neil Armstrong
und Michael Collins


Medien Links:


und in der Sowjetunion muss man mit ohnmächtigem Schmerz registrieren ...

... wie nach fünfundzwanzig Mondumläufen die Mondsonde LUNA 15 beim Landeversuch im Mare Crisium, dem Meer der Krisen, zerschellt ...
just an dem Tag als ...


... wir schreiben den 20. Juli 1969,

als Neil Armstrong und Buzz Aldrin mit der Mondfähre "EAGLE" im Mare Tranquilium, dem Meer der Ruhe, landen ...
und Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betritt ...
und wenig später mit seinem Partner Buzz Aldrin die amerikanische Flagge hisst ...

"This is one small step for a man ..." - "Das ist ein einziger kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesenhafter Sprung für die Menschheit",

spricht Neil Armstrong die unsterblichen Worte.


Abb. 24-15

Neil Armstrong ist ausgestiegen.

Abb. 24-15  Neil Armstrong ist ausgestiegen...


"Ich habe seit zwanzig Jahren nicht mehr geweint oder gebetet,
aber heute habe ich beides wieder getan.
Es war endgültig der letzte Tag für die alte Welt!"

gesteht Wernher v. Brauns Freund,
der berühmte Science Fiction Autor Arthur C. Clarke, einem Reporter.


Auf der ganzen Welt ist der Flug an Bildschirmen und vor den Radioapparaten verfolgt worden.
Hinter dem Eisernen Vorhang hebt Radio Zagreb für das damalige Jugoslawien den Kontrast zwischen der amerikanischen Offenheit und der sowjetischen Geheimniskrämerei hervor.


Ja, vielleicht ist auch dies ein Grund gewesen ...

die Tatsache ist:

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Die Sowjets haben das Rennen
zum Mond endgültig verloren
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Inhalt

Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004

Kapitel 24

1969 - Erste N1-Starts ...    und ein milliardenschweres Rennen geht verloren