"Möglicherweise
sollte man auf dem Mond eine Basis errichten,
Generalprobe für den bemannten Flug zu den Planeten."
Sergej Koroljow, Tagebuchaufzeichnung, 1966
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16. April 1972
... es ist Frühling in den USA.
Und die nächste Mondmission steht bevor: APOLLO
16
.
Die Astronauten Charlie Duke und John
Young landen mit der "ORION"-Fähre auf dem Plateau
des Descartes Hochlandes. Sie sind die Menschen Nr. 9 und 10 auf
dem Mond. |
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Mehr als zwanzig anstrengende, aber auch vergnügliche Stunden
verbringen sie dort; wie die vorherige
APOLLO-Mission sind sie mit einem Moonrover
ausgerüstet.
Im Mondorbit erwartet sie kein anderer als Thomas
"Ken" Mattingley,
der ursprünglich bereits mit der APOLLO
13-Mission fliegen sollte , aber damals kurz vor dem Start
krank geworden war und aus dem Team gestrichen wurde
(was im Nachhinein die Rettung für das APOLLO 13-Team bedeutet
hat. Denn niemand hat die technischen Details von APOLLO 13 besser
gekannt als Ken Mattingley).
Die APOLLO-16-Mission hat bewiesen, dass das amerikanische Mondprogramm
technisch ausgereift ist. Doch zu diesem Zeitpunkt ist nur noch
ein einziger weiterer Flug geplant. Wird es der letzte für
eine lange Zeit sein? |
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24. Mai 1972 ...
der Frühling ist auch in der Sowjetunion eingekehrt.
Frühling auch, statt dem bisherigen eiskalten Winter, für
die Beziehung der beiden Supermächte zueinander?
Auf dem Gebiet der Raumfahrt wird ein Zeichen gesetzt, nur wenige
Tage nach der erfolgreichen Rückkehr der APOLLO 16-Crew: |
An diesem Tag unterzeichnen die Premierminister
Alexej Kossygin
und Präsident Richard Nixon
ein historisches Abkommen zwischen den USA und der UdSSR: eine
Vereinbarung über die gemeinsame friedliche Erforschung des
Weltalls.
Es ist vorgesehen, in drei Jahren einen Kopplungsflug
der beiden "Mond"raumschiffe SOJUS
und APOLLO durchzuführen.
Mehr dazu erfährt der Leser im nächsten Kapitel ... |
Abb. 28-3
24. Mai
1972: Unterzeichnung der Vereinbarung über eine gemeinsame
APOLLO-SOJUS-Mission |
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Wird es auch ein zweiter Frühling für Chefkonstrukteur
Wassili Mischin
werden?
Er weiß, er muss nachlegen, sonst werden ihm die Gelder
für künftige Mondprojekte gestrichen. Ungeachtet der
bisherigen Fehlschläge der N1-Serie will er an der Trägerrakete
festhalten und legt seinen Vorgesetzten ein
neues Mondprogramm vor, basierend auf Plänen für
die Errichtung einer Mondbasis
unter roter Flagge:
L1-3M
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Abb.
28-4
Mischins
Phantasie:
gleichzeitiger Start
von zwei
N-1-Trägern
(Bildmontage)
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Ausgestattet dann endlich auch
mit den neuen leistungssteigernden kryogenen Brennstoffen
H2/O2 in den oberen
Raketenstufen, sollen gleich zwei N1-Booster
zeitgleich gestartet werden.
Die erste wird eine 25 Tonnen schwere Abstiegsstufe auf
den Weg zum Mond bringen.
Die 24 Tonnen schwere Nutzlast der zweiten Rakete besteht
aus einer Kombination von einer Mondlandefähre LK
und einer SOJUS-Rückkehrkapsel
für 2-3 Kosmonauten.
Im Mondorbit angekommen, werden beide Objekte gekoppelt
und gemeinsam zum Mond herabfliegen.
Die Kosmonauten können dann bis zu einem Monat auf
dem Mond verweilen und mit dem Bau einer Mondstation beginnen. |
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Mit weiteren Doppelflügen soll dann die weitere
Hardware angeliefert werden. Maximal ist mit diesem Profil ein
dreimonatiger Aufenthalt der Kosmonauten in der lunaren Basis
möglich. Einen ersten N1-Doppelflug
strebt Mischin für das Ende dieses siebenten Jahrzehnts an. |
Clever kalkuliert ist diese Idee Mischins:
Auch wenn ihm der Kreml eine weitere finanzielle Unterstützung
des L-3-Programms verweigern würde,
was nach den deftigen Niederlagen im Mondwettlauf zu erwarten
ist, so wäre doch mit dem L1-3M-Konzept die Weiterentwicklung
der N1-Rakete gesichert!
Doch Mischin hat sich verschätzt:
Sein Einfluss ist jetzt längst nicht mehr so stark wie vor
einigen Jahren.
Der Kreml verweigert ihm nun jegliche Gelder für eine Mondbasis.
Die L1-3M-Pläne müssen wieder in den Schubladen des
Chefkonstrukteurs verschwinden ...
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Inwieweit diese Entscheidung von
dem erfolgreichen Verlauf
der zeitgleich vonstatten gehenden APOLLO 16-Mission beeinflusst
worden ist, das muss Spekulation bleiben. Nicht auszuschließen
ist es! |
Ob Wassili Mischin gedacht
hat: "Nun erst recht!"?
Oder ob ihn der Mut der Verzweiflung getrieben hat?
Kühn legt der Chefkonstrukteur wenige Monate später
im Sommer 1972 einen weiteren, noch visionäreren Plan vor:
N1-MOK
(MOK = Multimodul Orbital Komplex)
Dahinter verbirgt sich die Vorstellung eines ganzen Komplexes
von Objekten im erdnahen Weltraum, bestehend aus Raumstationen,
frei fliegenden einzelnen Modulen und großen geostationären
Satelliten. Die Hauptarbeit beim Transport der einzelnen Komponenten
in den 450 km hohen Erdorbit sollen seine Lieblinge, die N1-Trägerraketen,
verrichten.
Zu allererst werden die beiden Hauptkomponenten ins All gebracht:
Zwei riesige Kommunikationsplattformen, später dann der weitere
logistische Nachschub.
Die N1 muss dazu umgerüstet
werden.
Die erste Stufe
mitsamt den dreißig NK-15-Triebwerken
bleibt erhalten, daran soll sich nur noch eine weitere Stufe anschließen,
ein sog. BLOCK Sr.
Diese zweite Stufe wird mit neuen H2/O2-Triebwerken,
wie sie im L1-3M -Projekt
vorgesehen waren, ausgerüstet.
Die Nutzlastverkleidung erhält, eine völlig neue zwiebelturmförmige
Form.
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Abb. 28-5
N1-MOK
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die letzte Variante
der N1-Baureihe |
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2.Stufe
Block Sr:
L: 17m
_______
1. Stufe:
L.: 13m
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Technische
Daten:
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Gewicht: 1200 t |
Länge: 30 m |
Max. Durchm.
1. Stufe: 15,80 m |
Max. Durchm.
2. Stufe: 10 m |
Startschub: 3255 kN |
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1. Stufe: |
wie Stufe
A der N1-Trägerrakete |
2. Stufe: |
16 modifizierte FlüssigH2/02-
Triebwerke und 4 weitere Flüssigluft/H2-Triebwerke |
Vakuumschub: 1600
kN |
Brennzeit:
410 sec |
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Wir haben bisher über die Zukunftspläne
Wassili Mischins, die N1-Serie betreffend, gesprochen. Was tut
sich hingegen in der Gegenwart der zweiten Hälfte des Jahres
1972?
Westliche Beobachter melden Bewegungen von riesigen weißen
Raketen auf dem Kosmodrom von Baikonur.
In der Tat:
Man bereitet dort den nächsten Start einer N1-Trägerrakete
vor, der vierte wird es sein.
Das Modell 7 L
der Baureihe N1 hat signifikante Veränderungen erfahren;
man hat versucht, aus den Fehlern des letzten Fehlstarts zu lernen.
Ein Kontrollsystem zur Verhinderung von Drehbewegungen beim Start
des Boosters ist eingebaut worden.
Den Durchmesser der ersten Stufe hat man um einen Meter auf 15,80
m verjüngt. Dennoch ist die Rakete schwerer geworden als
seine Vorgänger.
Als Nutzlast hat man wieder ein unbemanntes SOJUS-LOK-Raumschiff
ausgewählt ...
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23. November 1972,
09:11:52 OEZ
Abschussrampe N1-West Kosmodrom /
Baikonur
Würde der Start diesmal gelingen? |
Abb. 28-6
N1-7L Trägerrakete
kurz vor dem Start |
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Ja, es sieht alles danach aus!
Die Rakete hebt
unter donnerndem Getöse ab und steigt in den Himmel auf.
Eine Minute vergeht und nichts passiert.
Wieder werden erste Jubelrufe im Kontrollzentrum laut.
Doch wieder hat man sich zu früh gefreut:
Das Desaster beginnt "erst" vierzig Sekunden später:
Um die ungeheuren Beschleunigungskräfte auf die Rakete zu
reduzieren, werden die 6 inneren der dreißig NK-15-Triebwerke
der ersten Stufe programmgemäß nach der ersten Minute
heruntergefahren. Dies ruft unvorhergesehene Vibrationen hervor,
denen eine der Brennstoffzuleitungen nicht gewachsen ist.
Sie platzt, und wieder bricht Feuer aus, das Triebwerk #4 explodiert.
Und erneut reagiert das KORD-Sicherheitssystem
nicht so, wie es soll.
Statt das gegenüberliegende Triebwerk abzuschalten, fährt
es stur die komplette erste Stufe herunter. Die Rakete explodiert
daraufhin, nur 6 Sekunden vor der Zündung der zweiten Stufe.
Was für ein Pech!
Die SOJUS-LOK-Nutzlast wird abgestoßen und kann unversehrt
geborgen werden, die restliche Rakete wird außerhalb des
Gefahrenbereiches für Baikonur zerstört.
Die Amerikaner sagen treffend zu solch einem Geschehen:
"Close, but still no cigar."
Nein, eine Zigarre kann man für einen Fehlschlag nicht erwarten,
höchstens vom Vorgesetzten ...
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... die Amerikaner, und sie?
Das Ende einer Ära bricht an, einer Ära, die die USA
aus der Lauerposition an die führende Stelle im Weltraum
gebracht hat.
"Wir haben uns entschlossen in diesem Jahrzehnt
zum Mond zu fliegen; nicht, weil es leicht ist, sondern weil
es schwer ist; weil uns dieses Ziel dazu dienen wird, das Beste
aus unseren Energien und Fähigkeiten herauszuholen und
sinnvoll einzusetzen",
... hatte Präsident Kennedy 1962 vor Studenten gesagt.
Er hat mit seiner Vision recht behalten, auch wenn er selbst den
Erfolg nicht mehr miterleben durfte.
Ist es ein Vorzeichen des kommenden Wandels der Zeit?
Im Juni muss die NASA bekannt geben, dass Wernher von Braun seinen
Dienst quittiert hat. Gerüchten zufolge soll er so enttäuscht
gewesen sein über das ständige Gezänk aus dem Kongress,
sobald es um die Bewilligung von Geldern für neue Weltraumprojekte
ging, dass er eine Stellung in der Wirtschaft angenommen hat!
Einen Monat später startet in der Adventszeit 1972 die APOLLO
17-Mission.
Zum ersten Mal startet eine SATURN
V-Rakete in der Nacht, zum ersten Mal ist ein hauptberuflicher
Wissenschaftlicher an Bord eines APOLLO-Raumschiffes,
Harrison "Jack" Schmitt.
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Abb. 28-7a-c
APOLLO 17
Die letzte Mondmission |
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SATURN V - Nachtstart
So nah wie Astronaut Ron Evansim
CSM-Modul
"AMERICA" hat niemand seitdem
den Mond aus einem lunaren Orbit gesehen. Seine Partner
Gene Cernan und Jack Schmitt sind die letzten Menschen,
die bis heute den Mond betreten haben.
(Links
zu Medien)
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Crew:
Harrison Schmitt,
Eugene Cernan
& Ronald Evans
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Sie landen mit der Mondfähre
"CHALLENGER" im Taurus-Littrow-Tal,
einem von mehreren tausend Meter hohen Bergmassiven eingeschlossenen,
schmalen zerklüfteten Gebiet.
Die Talsohle ist von vulkanischer Asche bedeckt, dem "Mondstaub",
der auf die Wissenschaftler eine solche Begehrlichkeit und Faszination
ausgestrahlt hat, wie es die Goldadern in Alaska ein Jahrhundert
zuvor auf unzählige Abenteurer getan haben.
Dieser Mondstaub ist nämlich buntgefärbt, ein mögliches
Zeichen für aus den Mondvulkankratern ausgetretene Gase.
Kann man diese im Staub nachweisen, so kann man daraus viel über
die Geschichte und die chemische Zusammensetzung des Mondes erschließen.
Die Wissenschaftler bekommen ihren Mondstaub, mit dem Rover
ist manches einfacher geworden.
Und auch einiges mehr bringen die drei Astronauten mit, als sie
am Nachmittag des 19. Dezember 1972 im Pazifik südöstlich
von Samoa wassern.
Ein amerikanischer Flugzeugträger birgt wohlbehalten Kapsel
und Crew.
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Das Apollo-Programm
ist beendet.
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So erfolgreich das APOLLO-Programm auch gewesen
ist ... es wird tatsächlich beendet, für viele unbegreiflich,
die nicht hinter die Kulissen sehen konnten.
Obwohl zukunftsweisende weitere Pläne für Mondlandungen
und andere lunare Projekte auf den Schreibtischen der amerikanischen
Konstrukteure liegen, wird ihnen die weitere finanzielle Unterstützung
versagt.
Der Kongress beschneidet den Etat der NASA für die kommenden
Jahre drastisch.
Die nächsten bemannten Weltraummissionen sind nur auf Erdorbits
beschränkt worden:
Für das nächste Jahr steht der Start der ersten Raumstation
SKYLAB an, für
die Zukunft der Bau eines Raumtransporters, des SPACE
SHUTTLES.
Das Mondprogramm hat Milliarden US-Dollar verschlungen, der Vietnamkrieg
tobt mit unverminderter Härte, reißt ein weiteres tiefes
Loch in das Staatssäckel, und die Sowjetunion ist im Mondwettlauf
vernichtend geschlagen worden. |
Wirklich geschlagen??? |
Inhalt Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004
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