"Die Vorgänge in der
Flüssigkeits-Raketenforschung
sind noch nicht endgültig erforscht." W. Gluschko, 1981 |
Hinter dem Eisernen Vorhang ist Sergej Koroljow eifrig damit beschäftigt, der amerikanischen Herausforderung die passende Antwort zu geben. Er hat die R7 entwickelt, die erste ballistische Interkontinentalrakete. Aus heutiger Sicht ist diese Rakete nicht nur eine wirkungsvolle ICBM gewesen, sondern auch eine exzellente Trägerrakete für Satelliten, Sonden, Raumschiffe ... nach wie vor sind Nachfolgeversionen für Russland im Einsatz. Bis 1958 ist die R7 für alle sowjetischen Weltraumflüge benutzt worden und hat auch danach noch lange Jahre ihre Dienste zuverlässig getan. Koroljow ist auch für die Entwicklung und Überwachung
nahezu aller bisherigen Nutzlastprogramme verantwortlich gewesen:
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Sergej Koroljow ist natürlich nicht der einzige
sowjetische Raketen- und Raumschiffkonstrukteur. Da ist sein großer Gegenspieler Wladimir N. Tschelomej. Tschelomej, geboren am 30. JUni 1940 in der Kleinstadt
Sedletse, aufgewachsen in der Hauptstadt der Ukraine, Kiew, graduiert
1937 als Triebwerksbau-Ingenieur. 1940 erhält er eine Stelle
am Baranow-Zentralinstitut für Triebwerkstechnik in Moskau. 1955 erhält er von Mastislaw Keldisch, dem
Präsident der Akademie der sowjetischen Wissenschaften, den
Auftrag für eine neue U-Boot-Serie, die mit Langstreckenwaffen
(die spätere Kennung: P-5)
bestückt ist.
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Wladimir Tschelomej ist nicht dumm, er bietet dem
Sohn des sowjetischen Präsidenten Nikita Chruschtschow einen
Platz in seinem Konstruktionsbüro OKB-52 an - ein guter Schachzug
in einem politischen System, wo die Vorteile persönlicher Beziehungen
das A und O für das Weiterkommen sind. |
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Das gilt natürlich auch für westliche
demokratische Gesellschaftssysteme, |
So ist es nicht verwunderlich, dass Tschelomejs Büro mit Chruschtschows "Segen" das größte Projektbudget aller sowjetischen Büros zukommt.
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Im Nachhinein wird sich herausstellen, |
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Koroljow erkennt dieses Manko der sowjetischen Raumfahrt sehr früh (Anf. 1959). Er spürt, dass das wachsende Raumfahrtprogramm eine umfassende Reform der Organisationsstruktur erfordert. Die UdSSR bräuchten dringend auch eine der NASA vergleichbare zentrale Institution, um die Kräfte bündeln zu können. Er schlägt Präsident Chruschtschow deshalb eine zentrale Organisation vor, vergleichbar in etwa mit der heute existierenden Russischen Raumfahrtbehörde RSA. Der Präsident, mehr an landwirtschaftlichen Fünfjahresplänen denn an Raumfahrt interessiert, lehnt jedoch ab. Das Raumfahrtprogramm bleibt in den Händen vieler nichtspezialisierter Planungsbüros, von denen viele für verschiedene Ministerien arbeiten. Koroljow versucht nun das Beste aus der Situation zu machen. Er delegiert Projekte mit unbemannten Raumschiffen an seine Genossen, um selbst den Kopf für die Weiterentwicklung der bemannten Raumfahrt frei zu haben. |
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Zurück zu Walentin Tschelomej ... Er bekommt jetzt einen Verbündeten in seinem,
uns schon bekannten Namensvetter Walentin Gluschko,
dem Chefkonstrukteur der UdSSR für Raketentriebwerke. |
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Gluschko wechselt nach einem heftigen Disput
mit Koroljow das Lager; wieder geht es um die Wahl des richtigen
Brennstoffes wie einst bei der Entwicklung der R7.
Der Zwist der beiden hat eine lange Vergangenheit; 1937 unter Stalin ist, so Koroljows Version, ein denunzierendes Papier Gluschkos mitverantwortlich dafür, dass Koroljow in ein Zwangsarbeitslager nach Kolyma/Nordsibirien verbannt wird. So etwas vergisst man nicht so leicht ... Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Koroljow in Gluschkos Büro angestellt. Beide Konstrukteure geraten über dem R7-Projekt aneinander. Als Brennstoff möchte Koroljow schon damals die zukunftsweisenden kryogenen Brennstoffe (Flüssigwasserstoff und -Sauerstoff) verwenden - ein weiteres Zeugnis für seine Weitsicht: |
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Bis heute werden flüssiger Wasser- und Sauerstoff als Brennstoffe für Raketentriebwerke benutzt. | ||
Aber Gluschko setzte seine Vorstellungen durch. Die R7-Triebwerke sind mit hochgiftigen hypergolischen Chemikalien, die sich bei Kontakt entzünden, betrieben worden. Das gilt auch für die PROTON-Baureihe, auf die wir noch zu sprechen kommen. Nun befürwortet Koroljow wieder eine Flüssig-Wasserstoff/-Sauerstoff-Kombination
- wie es die Amerikaner bei der SATURN-Trägerrakete
tun werden Der geniale Triebwerkskonstrukteur geht fortan eigene Wege, er schaut sich nach gleichgesinnten Partnern um und findet ... Wladimir Tschelomej. Schnell liiert Gluschko sein Gasdynamisches Laboratorium GDL mit Tschelomejs OKB-52. Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004 |
Kapitel 7
Sowjetische Ränkespiele und erste Mondprojekte |