Auch das sowjetische Mondprogramm läuft
langsam aus ...
Chefkonstrukteur Wassili Mischin will die Zeichen
der Zeit dagegen noch nicht erkennen; er setzt weiterhin auf Flüge
mit N1-Raketen.
Das Jahr 1973 wird vollständig genutzt, um den fehleranfälligen
Triebwerkskomplex der ersten Stufe zu überarbeiten.
Ihr Erfinder, Nikolai Kusnezow entwickelt eine neue modernisierte
Serie NK-33/NK-43/NK-39/NK-31, die auch für die MOK-Variante
der N1 Verwendung finden soll.
Daneben steht das Jahr 1973 im Zeichen der erfolgreichen
Ye-8-Mondsondenflüge LUNA 21 (mit LUNOCHOD-Mondrover) und LUNA
22, über die in Kapitel
26 berichtet worden ist.
Zu Anfang des Jahres 1974 vermelden westliche Beobachter
auffällige Betriebsamkeit am Kosmodrom in Baikonur. Gleich
mehrere der "Weißen Riesen" seien auf dem Abschusskomplex
bewegt und auf beiden Abschussrampen aufgerichtet worden.
Sind das wiederum lediglich Gerüchte, die gezielt
von den amerikanischen Raketenleuten in die Welt gesetzt werden,
um das Weiße Haus zum Einlenken zu bewegen ...
nur um weitere Forschungsgelder bewilligt zu bekommen?
Nein!
Die Beobachtungen entsprechen den Tatsachen:
Tatsächlich sind beide N1-Abschussrampen
betriebsbereit, tatsächlich ist die Restaurierung von Komplex
Ost endlich beendet.
Tatsächlich gibt es sechs weitere N1-Booster, von denen zumindest
die Modelle 8L und 9L sofort einsatzfähig wären.
Der Start von N1-8L ist für August vorgesehen, der von N1-9L
wenig später.
Die Missionen sollen jeweils einen unbemannten L3-Komplex zum
Mond senden, die Mondfähre soll dort landen.
Mischin hat aus dem bemannten L3-Mondlandeprogramm
nun ein unbemanntes Konzept gemacht.
Die Ingenieure behaupten kühn, ab 1976 sei
die N1-Trägerrakete zuverlässig.
Wenn die 8L- und 9L-Flüge ohne Probleme verlaufen würden,
dann wird mit Flug N1-10L der erste sowjetische Kosmonaut auf
dem Mond landen!
Mindestens 4-5 weitere Folgeflüge zum Mond sind dann eingeplant.
Es sollte nicht mehr dazu kommen ...
... denn Wassili Mischin hat bei den Oberen verspielt.
Als er mit seinem Partner Nikolai Kusnetzow
Präsident Breschnew einen detaillierten Report vorlegt, in
dem er sich über die permanenten Verzögerungen in der
Entwicklung der sowjetischen Raumfahrttechnologie beklagt und
gleichzeitig die Vision eines MOK-Komplexes von Raumstationen
vorstellt, ist die Geduld der Oberen am Ende.
Wassili Mischin wird als Chefkonstrukteur
im Mai 1974 abgesetzt.
An seine Stelle tritt ein Mann, den Leonid Breschnew schon lange
für diesen Posten im Auge hatte und der uns als Rivale Sergej
Koroljows bekannt
geworden ist:
Walentin Gluschko
wird der neue Chefkonstrukteur der sowjetischen Raumfahrt,
er ist nun der Chef des legendären Planungsbüros OKB-1!
Gluschko scheint kein Mann langer Reden gewesen
zu sein, denn er macht sofort Nägel mit Köpfen:
Er vereinigt sein altes Planungsamt OKB-456 mit OKB-1 und weiteren
Konstruktionsbüros in der neuen Organisation:
N P O
Innerhalb weniger Tage streicht er nicht
nur die beiden, für dieses Jahr geplanten N1-Flüge,
sondern gleich das komplette Mondprogramm Mischins.
Denn Gluschko hat seine eigenen Pläne
für eine lunare Kolonie.
|